Verbuddelt und vergraben

ein netter Artikel aus dem DRadio, mit CosmicBob – 2 seiner Caches hab ich schon gehoben

Verbuddelt und vergraben
Schatzsuche in der Lüneburger Heide
Von Petra Marchewka

“Geocaching” ist eine Schnitzeljagd im Internet mit einer Portion Heimatkunde in Rätseln. “Das herrliche Salz gab Lüneburg Reichtum und Glanz”, dichtet zum Beispiel ein Schatzverstecker, “doch fehlte das größte Heilige ganz – es gab nur Kirchen aber wo ist der Dom, er wart gebaut in des Nachbars Ortes schon, es ist ein riesig Bauwerk mit steinerner Haut, doch ab wann wurd’ er gebaut?” Der Schatz selbst ist oft kaum der Mühe wert. Um ihn an sich geht es gar nicht. Der Weg ist das Ziel, und auch das prickelnde Vergnügen, Entdecker geheimer Verstecke zu sein.

“Wir befinden uns auf einem Areal, was man jetzt als verlassenes Dorf bezeichnen kann…”

Parken bei 53 Grad, 3 Komma 484 Minuten Nord und 10 Grad, 12 Komma 115 Minuten Ost.

“…eine Art Geisterdorf.”

Das geht ja gut los. Geisterdorf. Fünf, sechs verlassene Häuser mitten im Wald. Das hübsche Heideörtchen Amelinghausen bestimmt zehn lange Autominuten entfernt.

“Wir befinden uns also hier am Startpunkt des Caches ‘Lopautal’…”

Die Lopau. Lauschiges Flüsschen mit seltenen Fischen. Bachneunauge und Groppe, am Ufer fliegt die Zweigestreifte Quelljungfer, die größte Libelle weit und breit. Menschen gibt’s hier keine. Nur manchmal, wenn mal wieder eine Bundeswehrtruppe aus dem nahe gelegenen Munster ins verlassene Lopau kommt, um die Ruhe mit ihrem Üben zu stören.

“Wir werden uns jetzt auf den Weg machen, einen so genannten Multicache zu suchen, das heißt, wir werden sechs Stationen aufsuchen, wir haben fünf Hinweise zu finden und dann, als sechste Station den eigentlichen Cache zu suchen.”

Ein Multicache. Also erstmal viele kleine Verstecke finden, ein paar Rätsel lösen, dann erst den Hauptschatz heben. Motiviert schnallt sich Robert Baade den Rucksack um und fummelt das GPS-Gerät aus dem Etui. Die langen, dunklen Haare hat er sich hinten zum Zopf gebunden, an den Füßen trägt er schweres, unterholztaugliches Schuhwerk.

“Wir werden uns nun einige hundert Meter bewegen müssen, um tatsächlich den ersten Hinweis zu finden, am Anfangspunkt erzählt ein Baum sein Leben, hier müssen wir ein wenig rechnen, wir müssen die Zahl der Einwohner von Lopau 1948 recherchieren und mit dieser Information können wir dann die Koordinaten des folgenden Punktes berechnen.”

Die Startkoordinaten des Schatzes “Lopautal” hatte Baade im Internet gefunden, auf der Homepage der Geocacher-Szene. Im Netz nennt sich der 50-Jährige “Cosmic Bob”, nicht aufgrund akuter Selbstüberschätzung, wie er sagt, sondern weil er im wirklichen Leben als Astrophysiker arbeitet, in der Hamburger Sternwarte.

“Ich werde das kurz im GPS-Gerät eingeben, jetzt exakt 760 Meter zu gehen. Bis zu dem Referenzpunkt.”

Cosmic Bob marschiert los, den sandigen Weg entlang durch einen heidetypischen Kiefernwald. Der stramme Schritt und der ständige Kontrollblick aufs GPS-Gerät verraten: Geocaching ist kein Kinderspiel, das hier ist ernsthafte Schatzsuche für ganz Große.

Wer sich im Finden versuchen will, der hat freie Wahl unter zahllosen Schätzen.

“Licht und Schatten: Die Koordinaten führen zu einer faszinierenden Sonnenuhr, deren Größe und Konstruktion dich begeistern wird…”

Auf der wichtigsten Internetseite der internationalen Geocaching-Szene, auf www.geocaching.com, können Cosmic Bob und die anderen Schatzsucher unter knapp 300.000 möglichen Caches den passenden finden. In Deutschland sind fast 7000 Geocacher registriert. Rund 20.000 Caches laden hier zur satellitengestützten Suche ein. Der moderne Schnitzeljäger findet alle Informationen, die er zum Starten braucht: das Land und die Region, in der sich der Schatz befindet, die Starkoordinaten, Hinweise zum Schwierigkeitsgrad, Beschreibung der Umgebung.

“Die Startkoordinaten führen Euch zu einem Lost-Place, einem kleiner Bunker, in dem mal Sprengstoff zum Sprengen von Baumstümpfen gelagert wurde….”

In den letzten Jahren ist Geocaching zu einer zunehmend ausgefeilten Freizeitspezialität geworden.

“In einiger Entfernung, etwa 140 oder 170 Meter, stehen Informationstafeln über die archäologischen Funde in der “Klein Bünstorfer Heide”. Vervollständige mit der Jahreszahl der Ausgrabungen die Koordinaten für die weitere Suche…”

Traditional Caches, Multicaches, Mystery Caches. Schatzsuche virtuell, als Event mit anderen oder in Form einer Nachtwanderung.

“Ihr braucht auf jeden Fall eine stärkere Lampe. An den angegeben Koordinaten findet ihr zwei Schranken einfacher Art, die den Weg zu einer Lichtung sperren…”

Die Anforderungen: Sie reichen von “sehr gering” bis “äußerst knifflig”.

“Gehe nicht nach Westen oder Süden, gehe nicht in das Dorf. Gehe nicht in das Naturschutzgebiet. Gehe in keinen Laubwald. Suche den höchsten Berg in der Nähe, einen Gipfel, einen Kreis von Bäumen. Im Brennpunkt: der Cache.”

Weil’s vielen Spaß macht, entdeckt jetzt auch so manch ein Tourismusbüros das Thema Geocaching. Die Fremdenverkehrsgemeinschaft eines kleinen Städtchens in Schleswig-Holstein verspricht etwa einen “etwas anderen Tagesausflug” und bietet eine Geocaching-Tour durch Stadt und Umland an. Schatzsuche als GPS-gestützte Heimatkunde.

“Das herrliche Salz gab Lüneburg Reichtum und Glanz, doch fehlte das größte Heilige ganz – es gab nur Kirchen, aber wo ist der Dom – er wart gebaut in des Nachbars Ortes schon – es ist ein riesig Bauwerk mit steinerner Haut – doch ab wann, lieber Leser, wurd’ er gebaut?”

Auch verstecken ist anspruchsvoll. Die “Owner”, wie die Verstecker genannt werden, sind verpflichtet, die Schätze und den Weg dahin regelmäßig zu überprüfen und zu warten, damit nicht etwa einer bei der Suche stecken bleibt, weil irgendwo ein Hinweis fehlt. Wer pfiffig und sorgfältig versteckt hat, erhält zur Belohnung reichlich Lob auf der Homepage.

“Von Moos bedeckte Baumstämme, plätschernde Bachläufe mit absolut klarem Wasser. Traumhaft! Wir hatten zeitweise das Gefühl, dass noch kein Mensch vor uns da war. Die Hinweise konnten dank der Mithilfe der gesamten Familie schnell gefunden werden. Danke für diesen sehr schönen Cache!”

Cosmic Bob stehen inzwischen ein paar Schweißperlen auf der Stirn. Die Satelliten führen ihn jetzt einen Trampelpfad entlang, durch Äste und Gestrüpp, ganz und gar abseits der ausgetretenen Touristenwege hier in der Lüneburger Heide. Der Rucksack mit dem Schatzsucher-Equipment wird auch nicht gerade leichter.

“Kompass, Taschenlampe, diverse Zangen, Schraubenzieher, Spiegel, alles, was man gebrauchen könnte, um einen Cache beziehungsweise Hinweise zu einem Cache im Rahmen eines Multis zu finden.”

Die ersten Hindernisse auf dem Weg zu diesem Schatz hat Cosmic Bob ohne Werkzeug bewältigen können: Mit Hilfe einer Schautafel sollte er die Einwohnerzahl von Lopau aus dem Jahr 1948 ermitteln und später die Stufen einer steilen Treppe zählen. Dank dieser beiden Zahlen konnte er die Koordinaten der jeweils nächsten Etappe errechnen. Aber Cosmic Bob gehört eben zu den Profis der Szene und weiß, worauf man beim Schatzsuchen gefasst sein muss.

“Manchmal sind das irgendwelche Hohlräume, die verschraubt sind, manchmal ist der Cache nicht sichtbar oder fühlbar, sondern man muss ihn zunächst mit einem Spiegel lokalisieren und dann mit geeigneten Gerätschaften bergen, da gibt es jeden Schwierigkeitsgrad, den man sich vorstellen kann. Das ist natürlich auch der Ehrgeiz des Versteckers, wenn er’s drauf anlegt, eben wirklich einen schwierigen Cache zu konzipieren, die Hinweise so zu deponieren, dass sie nicht auf den ersten Blick zu finden sind.”

Über die Gegend, die Robert Baade hier heute durchwandert, will er sich später zu Hause noch genauer informieren. Mit Geocaching möchte der Astrophysiker nicht etwa seine Zeit totschlagen, sondern auch sein Wissen anreichern.

“Das ist sicherlich ein Charakteristikum und wichtiger Aspekt des Geocaching, dass man von den Leuten, die den Cache verstecken, eben zu touristischen Highlights geführt wird, vielleicht auch zu touristischen Geheimtipps. Das ist für mich zum Beispiel eine wichtige Komponente gewesen, ich habe in den vergangenen vier Jahren so viele Dinge von Deutschland gesehen wie ich in meinem ganzen Leben vorher nicht bewusst wahrgenommen habe, ich habe letztlich erst die Schönheit unseres Landes dadurch kennen gelernt. Indem ich eben wirklich auch gezielt im weiteren Umfeld auch in Süddeutschland eben halt Geocaches gesucht habe.”

Der Reiz liege im Geheimnisvollen, auf das man sich einlassen müsse, findet Cosmic Bob. Ausgeliefert nur den wenigen Hinweisen eines Fremden und geführt von einer Technik, ohne die der Geocacher verloren wäre. Dieser Reiz, schwärmt der Schatzsucher, sei so packend, dass von diesem Hobby kaum einer wieder loskomme.

“Fast alle betreiben dieses Hobby wie eine Art Sucht, das heißt am Anfang passiert es, dass ein Cache in der Woche gesucht wird, und dann plötzlich entwickelt das eine Eigendynamik, und man fängt an und sucht mehrere Caches in der Woche, sucht das ganze Wochenende vielleicht, und dann vielleicht auch mal wochentags, abends, und so gibt es Leute, die also jede Woche 50 gefunden haben. Es ist extrem. Und das schon seit Jahren.”

Er selber sei inzwischen “Genuss-Geocacher”, würde also nicht mehr für jeden x-beliebigen Cache aufbrechen. Aber mehr als 2000 gefundene Verstecke sind doch schon zusammen gekommen – und die Bergung des nächsten Schatzes rückt näher.

“So, wir haben jetzt relativ schlechten Empfang, wegen der Bäume hier, wir werden jetzt ein bisschen suchen müssen, das kann viele Minuten dauern, es gibt Situationen, wo man auch mal mehr als eine Stunde suchen muss. (…) Die Aufgabe ist jetzt, hier etwas zu finden, was der Verstecker, der Owner, irgendwo deponiert hat, und zwar in einem Mauerbruchstück. Oder bei einem Mauerbruchstück. Am Fuße dieses Gebäudes.”

Mitten im Wald ein rundes Häuschen aus Holz auf einem gemauerten Fundament. Cosmic Bob schreitet das Fundament ab, kein Zentimeter entgeht seinem Blick.

“Aber ich sehe jetzt etwas, was der Beschreibung entspricht, ein Mauerbruchstück…, das ist eindeutig eine Mauer gewesen… Jetzt müssen wir hier mal gucken… muss ich einfach mal ringsherum gehen…”

Er holt ein paar Plastikhandschuhe aus dem Rucksack. So geschützt tastet Cosmic Bob die dunklen Spalten und Löcher in der alten Mauer ab.

“Na… eine kleine Filmdose! Das ist schon nicht ganz trivial…”

Ein winziger schwarzer Plastikbehälter, darin ein kleiner Zettel.

“…so, und hier haben wir die Information, Information drei, Töpferturm, also das Gebäude hier ist der Töpferturm, ich glaube, da drinnen gibt es noch eine Informationstafel, wo wir weitere Informationen erhalten können über den Töpferturm selber, und hier sind jetzt die neuen Koordinaten angegeben. Die werde ich jetzt mal in das GPS-Gerät eingeben, und dann können wir uns zur nächsten Station aufmachen.”

Schätze finden, und der Satellit zeigt, wo’s langgeht.

Das Spiel verdankt die Welt dem US-amerikanischen Verteidigungsministerium. Das hat das “Global Positioning System”, kurz: GPS, für Militärzwecke entwickelt, und damit das Satelliten-Navigations-System auch wirklich nur dafür verwendet werden kann, haben die Amerikaner die Satellitensignale zunächst so verschlüsselt, dass sie für zivile Nutzer zu ungenau und damit unbrauchbar waren.

Aber im Mai 2000 ließ der damalige Präsident Bill Clinton die künstliche Verzerrung des GPS-Signals abschalten. Genau einen Tag später hat der Amerikaner Dave Ulmer seinen ersten Cache versteckt, in den Wäldern bei Portland in Oregon. Die Position des Caches veröffentlichte er in einer Newsgroup im Internet, zusammen mit einer Beschreibung aller wesentlichen Spielregeln. Drei Tage danach hat der erste Finder den Schatz gehoben.

Fünf Monate später wurde der erste Cache in Deutschland verbuddelt: Heute gilt “First Germany” in Brandenburg echten Fans als Klassiker. Es hat nicht lange gedauert, und die Geocacher-Gemeinde verscharrte ihre Schätze einmal rund um den Globus: Verstecke gibt es mittlerweile in 222 Ländern, in der Antarktis und in Argentinien, in Indonesien, Lesotho, in Sambia.

“Da wird jeder noch mal zum Kind. Also zumindest bei solchen Caches, wie diesem hier… bei den etwas gefährlicheren, klar, da ist dann der Abenteurer gefragt.”

Cosmic Bob, Kind und Abenteurer in einer Person, ist inzwischen kurz vor seinem Ziel – abgesehen davon, dass, will man es philosophisch betrachten, der bisherige Weg bereits das Ziel gewesen ist. Der zu erwartende Schatz lässt den Pulsschlag steigen, der ohnehin schon forsche Schritt wird noch ein wenig schneller.

Den letzten Hinweis zur Entschlüsselung der Zielkoordinaten hatte Cosmic Bob unter einer Brücke gefunden, mit einem einzigen geschulten Blick.

“Nur den wenigsten Geocachern gelingt es, so trickreich zu verstecken, dass man mit dem Auge nichts sieht. Dann muss man wirklich suchen, dann muss man wirklich mit den Händen rumwühlen…”

Er folgt zügig den Angaben der Satelliten. Vor ihm eine Ruine, Mauerreste, mit Moos bewachsen, ganz zerbröselt und verfallen.

“Ich gucke mir jetzt einfach mal das Satellitenbild an, so stehen die Satelliten am Himmel…, und wir empfangen jetzt im Augenblick Informationen von acht Satelliten, das ist eigentlich recht gut hier im Wald…”

Dem Himmel sei Dank, denn ein eingefleischter Geocacher wühlt bei unpräzisen Satellitenbildern auch schon mal stundenlang im Unterholz. Nicht so Cosmic Bob. Fünf, sechs Steine am Fuß der Ruine erscheinen ihm verdächtig. Er hebt den obersten an.

“Da ist schon der typische Plastikbeutel zu sehen… der leider manchmal sehr kontraproduktiv ist… weil er doch die Feuchtigkeit so ein bisschen hält, nech, (…) und in dem befindet sich dann die Dose, wobei das hier eine sehr einfache Dose ist, im Sinne von Geiz ist geil…”
“So. Und hier sehen wir nun den Schatz. Hier ist wieder das Logbuch, das scheint ein Flaschenöffner zu sein, ein Flaschenverschluss, Feuerzeug, ein CD-Halter, ein Armreif für Kinder…”

Zwischen all den wertlosen Gegenständen das Logbuch. Ein kleines Heftchen, ungefähr zehn Einträge stehen schon drin. Im Mai hat jemand diesen Schatz zum ersten Mal gehoben, steht da, und: “Vielen Dank für den wunderbaren Spaziergang!”

“Dann muss ich natürlich hier alles eintragen, unseren Besuch hier beim Cash…”

“Und dann setze ich noch meinen Nickname Cosmic Bob unter den Eintrag.”

Ein Mann kniet mitten im Wald vor einem Haufen Plastik in einer Tupperdose und ist mit sich und der Welt zufrieden.

“Die Philosophie ist halt, so alles wieder zu verstecken, wie der Owner es gewollt hat, wie er es selber gemacht hat, einschließlich Tüten, einschließlich auffällliger Tarnung…”

Lächelnd verstaut Cosmic Bob die Plastiktüte unter dem Stein am Fuß der Ruine im Lopautal, zehn Autominuten entfernt vom hübschen Heideörtchen Amelinghausen. Das Ende einer erfolgreichen Schatzsuche.

“Man muss es einfach erleben. Es ist ein kleiner Triumph, wenn man einen Hinweis gefunden hat, oder wenn man nachher den Cache gefunden hat, ist es ein kleiner Triumph. Man denkt, man habe etwas geleistet. Okay, es ist alles nur ein Spiel, aber so sind Spiele halt. Am Ende ist man glücklich, wenn man gewonnen hat.”
[http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/555017/]

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